Der Tod als Ende muss ein Irrtum sein

Der Tod als Ende muss ein Irrtum sein.
Der Tod als Ende muss ein Irrtum sein.

Der Tod ist das große Thema von Tolkiens Buch „Herr der Ringe“.

Das bekennt Tolkien ausdrücklich in einem Interview aus dem Jahr 1968.

Wie seine Helden will Tolkien sich nicht abfinden mit der Übermacht des Todes.

Nicht mit Sauron, der alles Leben in Dunkelheit und versinken lassen würde, nicht mit dem Ende der Welt.

Das kommen wird, selbst für die Unsterblichen, wenn Morgoth nach Arda zurück kehren wird. 

Und doch versteckt Tolkien Hoffnungsfunken in seinen Büchern:

  • Einen Rätselspruch über den Menschen am Anfang der Zeit.
  • Melkor, der nicht gleich Morgoth ist.
  • Tom Bombadils Macht, dem Ring zu widerstehen.
  • Und schließlich der  Elessar, ein magischer Heilstein, der zu Aragorn´s Königsstein wird.

Hoffnungsfunken, die zu Spuren werden. Spuren, denen wir nun, im Elessarion, folgen.

Ein trostloses Ende

Der Tod aus dem Crowley Tarot
Der Tod aus dem Crowley Tarot

Wie Millionen anderen Menschen auch ließ mich Tolkiens „Herr der Ringe“ keinesfalls los, nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte.

Das Auenland, der Alte Wald, Bruchtal, die Gemeinschaft des Rings. Frodo, Sam, und Gandalf, Merry und Pippin, Aragorn und Boromir, Legolas und Gimli – alle waren mir an´s Herz gewachsen. Und Tom Bombadil natürlich, Elrond und Galadriel und schließlich auch Eowyn und Faramir.

Doch warum endet die Geschichte so, fragte ich mich wieder und wieder. So ausweglos traurig. Nein, wie Aragorn auf seinem Sterbebett sagt: Es gibt keinen Trost.

Mittelerde wird am Ende der Geschichte der Magie beraubt. Aragorn schwört jeglicher Hoffnung auf Unsterblichkeit ab – mit seinem Eid. Und die Elben harren in unendlicher Trauer aus. Bis zum Ende der Welt. Der Tod, auch ihr Tod ist unvermeidlich.

Jeglicher Größe entsagen

Mein Widerspruchsgeist zeigte mir erst einmal ganz genau auf, wie die Helden, die uns im Laufe des Ringkrieges ans Herz gewachsen sind, da stehen. Am Ende der Geschichte. Wenn sie auseinander gehen, wenn die Gemeinschaft des Rings sich auflöst.

Der Magie entsagen

Gandalf, Galadriel und Elrond verlassen Mittelerde. Sie nehmen ihre drei Elbenringe mit. Mit ihnen Frodo und Bilbo. Auch den großen Palantir lässt Gandalf nicht in Mittelerde, sondern bringt ihn zurück nach Valinor. Nach und nach werden alle Unsterblichen und mit ihnen ihre magische Kräfte Mittelerde verlassen. Verlassen müssen, weil Magie Macht verleiht. Und Macht, so sagen die Elben, verführt selbst die Reinsten, verführte selbst Frodo, zum Bösen.

Der Unsterblichkeit entsagen

Aragorn schwört in seinem Königseid der Versuchung der Numenorer ab. „Aus dem Großen Meer bin ich nach Mittelerde gekommen. An diesem Ort will ich bleiben und meine Erben bis ans Ende der Welt.“ Die Versuchung aber der Numenorer war, dass sie nach der Unsterblichkeit verlangten.

Was zu ihrem Untergang führte. Menschen sind nicht unsterblich. Sie können nichts tun, als sich mit ihrem Tod abfinden. Mit ihrem, wie es bei Tolkien heißt, wirklichen Tod. Ein Leben nach dem Tod, wie bei den Elben, gibt es nicht für die Menschen. So hat Eru die Menschen gemacht.

Und auch die Liebe stirbt

Auch von großer Liebe ist am Ende keine Rede mehr. Die Paare finden sich und bekommen Kinder. Große Liebe aber wäre etwas anderes. Große Liebe bei Tolkien folgt einer Vision. Gemeinsam – wie Luthien und Beren – den Tod zu überwinden.

Aragorn mag darauf hoffen. Doch was Tolkien uns berichtet ist, dass Arwen den Worten von Aragorn auf seinem Sterbebett nicht glaubt. Anders als Aragorn stirbt sie tief verzweifelt, allein und ohne Hoffnung.

Die Unerbittlichkeit des Todes

Grausam würde ich dies Ende nennen, wüsste ich nicht, dass Tolkien sich keinesfalls einen Spaß mit uns, seinen Lesern, machen wollte. Nein, Tolkien ist es, der an der Unerbittlichkeit des Todes verzweifelt. Und mit all dem Leben, den Menschen, Elben, Zwergen, und Hobbits, immer noch hoffend, nach einem Ausweg sucht. Doch er findet ihn nicht.

Die Filme, der Hobbit und das Silmarillion machten es für mich nicht besser, im Gegenteil. Der Verlust der Elben und Menschen an Stolz, Macht und Größe, den der Sieg über Sauron scheinbar zwangsläufig mit sich bringen musste, schien mir nun noch schmerzlicher. Womit ich mich nicht abfinden will.

Schon mal Tolkien zuliebe nicht, der in diesem berühmten Interview aus dem Jahr 1968 bekennt, worum es ihm im Herr der Ringe geht.

Jede große Erzählung, die die Menschen interessiert und ihre Aufmerksamkeit länger fesselt, jede menschliche Geschichte dreht sich um ein Thema:

Den Tod und die Unmöglichkeit, ihm zu entrinnen.

Kürzlich stand ein Zitat von Simone de Beauvoir in der Zeitung, das ich sehr treffend fand. Ich lese es mal vor.

„Einen natürlichen Tod gibt es nicht. Nichts was einem Menschen je widerfahren kann, ist natürlich. Weil seine Gegenwart die Welt in Frage stellt. Alle Menschen sind sterblich. Aber für jeden Menschen ist sein Tod ein Unfall, und selbst wenn er sich mit ihm abfindet, ein Gewaltakt.“

Dem kann man zustimmen oder auch nicht, aber dies ist die wahre Triebfeder des „Herrn der Ringe“.

Das Ende der Welt

Darauf läuft er hinaus. Alles was war, alles was ist, mich selbst, der ich darum weiß, eingeschlossen, wird ausgelöscht. Wahrscheinlich. Der Endkampf zwischen Gut und Böse. Ob es danach weiter geht, wenn das Böse besiegt sein wird, weiß niemand. Und wer vielleicht überleben wird. Kann niemand wissen.

Die vage Hoffnung, der Elben wie auch von Aragorn (auf seinem Sterbebett) ist: Die wahrhaft Guten werden (vielleicht) auferstehen. Wenn sie frei von jeglichem Bösen, wenn sie allem, was sie verführen könnte, entsagen. Vielleicht. Nein, Trost ist diese vage Hoffnung nicht.

Der Tod muss ein Irrtum sein

Doch mitten hinein in das große Entsagen am Ende der Geschichte versteckt, würde ich sagen, Tolkien den Elessar. Einen großen grünen Heilstein. Aragorn ist der Elessar wichtig, so wichtig, dass er sich selbst „Elessar“, „König Elessar“ nennt. Sonst aber löst der Elessar bei niemandem das Begehren aus, ihn für sich zu besitzen.

Außer dass er heilen kann, heilen durch die Macht der Vision des Geheilten, hat er keine magische Macht. So unauffällig versteckt Tolkien Aragorns Heilstein, dass es kaum jemandem auffällt, dass der Elessar dann im Film von Peter Jackson keine Rolle spielt.

Im Herr der Ringe Buch, bei Tolkien hat der Elessar eine weit zurück reichende Geschichte. Aus dem altvorderen Gondolin stammend kam er über Earendil, Gandalf und Galadriel schließlich zu Aragorn. Und jedes Mal, wenn Aragorn den Elessar in die Hand nimmt, richtet er sich stolz und leuchtend auf – zu einer Größe, die auch andere sehen können.

Schließlich zum Abschied, das letzte, was wir von Aragorn sehen im Herr der Ringe Buch: Er hält seinen Elessar hoch und leuchtend über seinen Kopf. Sodass er weithin zu sehen ist.

Ein Funken Hoffnung, um mit Gandalf zu sprechen. Ein Funken Hoffnung auf Größe. Auf die Größe des Menschen. Dass der Tod für den Menschen nicht das letzte Wort der Götter von Mittelerde sein kann.

Und es gibt noch mehr Hoffnungsfunken in Sachen Tod bei Tolkien:

Der erste: Ganz am Anfang im Silmarillion

Es ist ein Rätsel, so sagen die Elben: Der Mensch hat die Gabe der Freiheit, was in eins damit geht, dass er wahrhaftig sterben muss. Wohin die Menschen gehen, nach ihrem Tod, wissen die Elben nicht. Nur dass Beren und Luthien diesen Weg gegangen sind. Nach ihrem zweiten Tod.

Der zweite: Nichts ist böse von Anfang an

Selbst im Ringkrieg erinnert man sich noch und Elrond spricht es aus: „Nichts ist böse von Anfang an, selbst Sauron war es nicht.“

Und selbst Morgoth, der Herr von Sauron, hatte einen Vorgänger, der dem einen Schöpfergott in Tolkiens Welt ähnlicher und näher war als alle anderen Wesen: Melkor.

Melkor wurde vergessen, denn sein Name wurde Morgoth für alle Zeit aberkannt.

Der dritte: Tom Bombadil kann weder Sauron noch Tod etwas anhaben

Tom Bombadil ist der Meister, der Älteste.  Er ist ein quirliger, in Liedern und Rätseln sprechender Ruhepol. Der einzige, dem der „eine Ring“ nichts anhaben kann. „Gib das Spiel auf!“ sagt er zu Frodo „und setz dich zu mir.“

Doch Frodo hört nicht auf den Rat, der in Tom Bombadils Rätselspruch steckt. Oder versteht ihn nicht. So spielt denn Tom Bombadil für die Dramaturgie der Geschichte keine Rolle und kommt im Film nicht vor.

Für das Buch, für Tolkien, ist er wichtig. Tom Bombadil, der Älteste und der Meister genannt, zeigt auf eine andere Spur als die des tragischen Mutes.

Zwischen den Ereignissen eine Spur

Ich nun, der Hüter des Elessar, habe Elessar und Rätsel, miteinander verbunden: Der Elessar ist für jenen bestimmt, der die Rätsel lösen kann. Ob als Auftrag oder Lohn? Oder sowohl als auch?

Dieser Spur begannen Aragorn und jene, die mit ihm sind, zu folgen.

Zwischen den Ereignissen, großen Taten und grausamen Kriegen entdeckten sie Ereignisse, die möglich gewesen wären.

Ereignisse, die so hätten geschehen können. Ohne dass sich der Lauf der Geschichte verändert hätte. Erst jetzt, nach dem Ringkrieg, beginnen diese Ereignisse zusammen zu wirken. Sie öffnen Aragorn und jenen, die mit ihm sind, einen anderen Weg als den scheinbar unvermeidlichen.

Und es ist an der Zeit, diese Geschichten zu erzählen, dass sie ihre Geschichten selbst erzählen.

Eine dieser Geschichten, dreht sich um Luthien und Beren. In großer Verzweiflung angesichts ihres nahenden Todes, ersinnen Luthien und Beren den Elessar. Bevor er Jahre später in Gondolin erschaffen wurde. Für jene die ihnen nachfolgen werden. Dass jene Späteren das Rätsel, welches ihr Leben bestimmt hatte, lösen werden.

Eine weitere Geschichte erzählt von Melkor und Morgoth. Dass Melkor und Morgoth nicht zwei Namen für dieselbe Person sind, sondern zwei.

Melkor, der sich nicht abfinden will mit seinem Schicksal, bloßes Geschöpf von Eru zu sein. Eru, dem Schöpfergott in Tolkiens Welt. Er sucht das schöpferische Feuer.

Morgoth, der Melkor vergessen hat, unfähig zu reflektieren, unfähig, sich zu wandeln, bar jeder Schöpferkraft lebt er nicht. Er ist bloß seelenloses Geschöpf, grausam, gewalttätig, tödlich.

Die dritte Geschichte ist vielleicht schon manchem in den Sinn gekommen. Tom Bombadil ist der einzige, über den „der eine Ring“ keine Macht hat. Und auch das hat eine Vorgeschichte.

Bildquellen:

© Sandro Porto auf Pixabay
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